Was verbirgt sich hinter dem Label Coaching?
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3 Qualifikationserwartungen an den Coach
Vor dem Hintergrund der bisherigen Darstellungen sollte eigentlich
deutlich geworden sein, wie hoch die Anforderungen an
einen Coach sind. Das folgende ironische Zitat von Baisch
(1988) bringt dies sehr gut zum Ausdruck:
„ So verfügt der Super-Coach über das emotionale Verständnis
der Ehefrau, versteht aber eine Menge vom Berufsleben, kennt
als Führungskraft das Leben im Unternehmensdschungel mit
seinen Spielregeln und Zwängen, besitzt therapeutische Kompetenz,
ohne sich aber wie ein Psychotherapeut zu verhalten.
Er besitzt die innere Einstellung eines zum Sieg entschlossenen
Leistungssportlers und weiß, dass es außer der Arbeit auch
noch andere Werte gibt“ (ebd., S. 36).
In der Diskussion, in welchen Bereichen ein Coach qualifiziert
sein sollte, lassen sich zwei grundlegende Auffassungen ausmachen:
Auf der einen Seite geht man davon aus, dass neben
dem psychologischen und betriebswirtschaftlichen Fachwissen
gepaart mit hinlänglicher Selbsterfahrung eine umfangreiche
Feldkompetenz3 unerlässlich ist. Diese Position ist die am häufigsten
vertretene. Sie soll daher auch in den anschließenden
Erläuterungen näher veranschaulicht werden.
Auf der Gegenseite steht eine Gruppe von Fachleuten, die einen
Coach als „reinen Prozessexperten“ definieren, der von
den beruflichen Inhalten seines Klienten kaum etwas wissen
muss. Ganz im Gegenteil: Derartiges Wissen wird hier sogar als
mögliche Beeinträchtigung verstanden, da ein mit Prozess- und
Feldkompetenz befähigter Coach sich dem Klienten gegenüber
nicht nur als „Superexperte und Übermensch“ darbietet, -
und somit ein Beziehungsgefälle nach sich ziehen würde -, sondern
durch seine Kenntnis auch für eine mögliche Betriebsblindheit
anfällig wäre (Schreyögg, 1999, S. 130).
Hauptsächlich derartig hoch spezialisierten Experten mit breiter
Feldkompetenz fällt es sehr schwer, bestimmte Konstellationen
unvoreingenommen anzuschauen und zu analysieren. Überdies
können sich Beziehungsprobleme einstellen, wenn der
Coach aufgrund seiner hohen Fähigkeiten das Gefühl hat, sein
Klient sei vergleichsweise nur gering kompetent (ebd., S. 131f.).
„Braucht der Coach wirklich Erfahrungen oder technische
Sachkenntnisse auf dem Gebiet, in dem er coacht? Die Antwort
ist nein. Er braucht sie nicht, wenn er wirklich unvoreingenommen
bewusstseinsfördernd wirkt. Wenn er jedoch von dem,
wofür er eintritt, nicht vollständig überzeugt ist, das heißt vom
Potential seines Schützlings und dem Wert der Eigenverantwortung,
dann wird er glauben, er brauche Sachkenntnis, um coachen
zu können. Ich behaupte nicht, dass er Expertenwissen
immer zurückhalten sollte. Der weniger gute Coach setzt es
aber tendenziell zu oft ein und verringert dadurch den Wert
seines Coaching. Denn jedes dem Gecoachten zur Verfügung
gestellte Expertenwissen reduziert dessen Verantwortung“
(Whitmore, 1994, S. 48).
Ähnliche Gedanken vertritt auch Czichos (1991). Er rechtfertigt
ein „inhaltsfreies Coaching“ und „Lernpartnerschaften“. Seiner
Meinung nach ist es für den Coach beziehungsweise den coachenden
Vorgesetzten kaum realisierbar, alles besser zu überblicken
als der Gecoachte beziehungsweise dies demonstrieren
zu müssen. Dies kommt in erster Linie dem Verhältnis zwischen
Coach und Klient zu gute, da in einer Lernpartnerschaft
oder Coaching ein Beziehungsgefälle gemildert wird. Die Kernkompetenz des Coachs sei daher vielmehr die Befähigung,
Prozesse auszulösen und zu begleiten:
„Sie müssen ... Prozesse und Techniken einsetzen können, die
Ihren Mitarbeitern helfen, etwas zu lernen, was Sie selbst nicht
können und eventuell auch nicht zu können brauchen. Wozu
haben Sie denn Mitarbeiter? Sie brauchen sich doch nicht auf
alles selbst zu spezialisieren. Sie sollten sich jedoch als Coach
spezialisieren. Für dieses Konzept bevorzuge ich den Begriff ‚inhaltsfreies
Coaching’“ (ebd., S. 66).
Es sei hier nochmals die Notwendigkeit betont, komplexe, z.B.
betriebswirtschaftliche Entwicklungen generell zu verstehen,
damit überhaupt vernünftig beraten werden kann. Nur mit einer
prozessorientierten Handlungsweise könnte es hier zu gravierenden
Verständnisproblemen kommen, die eher Komplikationen,
anstatt Vertrauen erzielen. Die minimalste Anforderung
an die Feldkompetenz des Coachs sollte infolgedessen das Interesse
an den beruflichen Aufgaben des Klienten sein
(Schreyögg, 1999, S. 132).
3 Unter Feldkompetenz versteht man hier die Vorkenntnisse des Coachs
über das Arbeitsgebiet seines Klienten (Schreyögg, 1999, S. 131).
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