Stress am Arbeitsplatz
Interview mit Xaver Büschel über „Stress am Arbeitsplatz“ mit dem Radiosender Bonn/Rhein-Sieg vom 20.4.2010
RBRS: Herr Büschel, was könnten die Gründe sein, dass immer mehr Personen
krankheitsbedingt nicht am Arbeitsplatz erscheinen - Stress, Druck, Mobbing?
Büschel: Hier muss ich eine Korrektur vornehmen. Immer mehr Menschen
gehen trotz Erkrankung zu ihrer Arbeit. Seit Jahren gehen die Fehltage stetig
zurück. 1997 war jeder Arbeitnehmer im Durchschnitt rund 18,5 Kalendertage
im Jahr krank geschrieben, im Jahr 2007 waren es nur noch 16,4 Tage. Hier ist
sicherlich keine Trendwende in den nächsten Jahren zu vermuten. Die
Menschen gehen obwohl sie krank sind in ihr Unternehmen. Die Gründe
hierfür sind sicherlich in den Veränderungen der Beschäftigungsstrukturen
und der Angst begründet, dass man bei längeren Krankzeiten seinen
Arbeitsplatz womöglich gefährden könnte.
RBRS: Was sind die Auswirkungen von Stress und hohem Druck auf der Arbeit z.B. Burnout?
Büschel: Zunächst möchte ich zwischen akutem und chronischem Stress
differenzieren. Die akute und kurzfristige andauernde Beanspruchung
können Menschen in der Regel, durch den Einsatz ihrer Ressourcen, ganz gut
bewältigen. Schwieriger wird es bei chronischem Stress, das heißt zeitlich
lang andauernder Beanspruchung, die dann zur Überbeanspruchung wird –
also zum chronischen Stress. Folgende Stressfaktoren können hierbei eine
Rolle spielen:
- fehlende Gestaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz
- Schichtarbeit
- mangelndes Interesse am Beruf
- eintönige Arbeitsabläufe wie z. B. Fließbandarbeit
- Termindruck und Zeitmangel
- übergroße Verantwortung
- Unterforderung und Langeweile
- permanente Überforderung
- Angst um den Arbeitsplatz
- Isolation und Verachtung von Kolleginnen und Kollegen oder seitens des Vorgesetzten
- neue technische Entwicklungen am Arbeitsplatz
- oder Mobbing
Neben den Stressfaktoren im Unternehmen und am Arbeitsplatz gibt es
selbstverständlich auch psychosoziale Faktoren im privaten Bereich – hier
möchte ich fünf bedeutende nennen:
- der Tod eines nahen Familienangehörigen
- Scheidung
- chronische Konflikte in der Paarbeziehung und Familie
- Krankheiten und Schmerzen, eigene und die von Familienangehörigen
- Geldmangel und Überschuldung
RBRS: Wer verkraftet mehr Stress? Mann oder Frau?
Büschel: Diverse Untersuchungen haben dokumentiert, dass Frauen
intensiver auf Stress reagieren und grundsätzlich stressempfindlicher sind als
Männer. Die Ursachen hierfür sind ihre geringere Überzeugung ihrer
Befähigungen und ein höheres Abhängigkeitsempfinden.
RBRS: Wie sind die aktuellen Behandlungszahlen von Personen die an Folgen
von Stress, Druck und Mobbing auf der Arbeit gelitten haben?
Büschel: Der Frühberentungsstatistik der deutschen Rentenversicherung
Bund aus dem Jahre 2008 ist die Zahl der mit psychischen Störungen und
hauptsächlich mit Angst, Depressionen und sonstigen Stressfolgen
begründeten Frühberentungen zwischen 1993 und 2006 beständig
angestiegen. Mittlerweile nehmen diese Frühberentungen mit einem Anteil
von 30 % den Spitzenplatz unter den angezeigten Ursachen des vorzeitigen
Ruhestandes ein.
RBRS: Wie ist der Trend?
Büschel: Der nüchternen Statistik des Statistischen Bundesamtes aus dem
Jahr 2008 zufolge stehen heute fast 10 % der gesamten arbeitenden
Bevölkerung in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Noch beunruhigender
sind die Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Hiernach
erhalten vor allem junge Menschen einen Zeitarbeitsvertrag. Fast jeder
zweite Neueinstellte ist befristet angestellt. Dieser Trend wird wahrscheinlich
anhalten oder sogar noch zunehmen. Dieser Sachverhalt verursacht
sicherlich bei vielen Menschen Angst und ein hohes Maß an Unsicherheit. Mit
dieser Unsicherheit müssen wir lernen umzugehen und uns auch darauf
einstellen. Entsprechende Stressbewältigungstechniken können hier sehr
hilfreich sein. Im Rahmen einer Psychotherapie oder eines Business
Coachings können Gespräche über die Dämpfung und Veränderung von
Stressfaktoren erlernt und trainiert werden. Auch durch körperliche
Betätigung, gesunde Ernährung und ausreichendem Schlaf kann Stress
schneller abgebaut werden.
RBRS: Vielen Dank dafür, dass Sie uns zur Verfügung gestanden haben.
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